Simonson, Werner | Das letzte Urteil.

Das letzte Urteil Titel: Das letzte Urteil. Vom preußischen Richter zum anglikanischen Pfarrer / Eine Autobiografie, hrsg. und mit einem Vorwort von Bischof em. Jobst Schöne

Verfasser: Simonson, Werner / Hrsg. Bischof em. Jobst Schöne

Verlag, Ort, Jahr: Freimund Verlag Neuendettelsau 2003

ISBN: 3-7726-0242-8

Rezension von: Christiane Pohl, Berlin

Im Frühjahr 1933 ist Werner Simonson 46 Jahre alt, erfolgreicher und angesehener Richter an verschiedenen deutschen Gerichten, als er völlig überraschend von einem Tag auf den anderen am Abgrund seines Lebens steht: Weil er jüdische Großeltern hat, wird der deutsche Staatsbürger und Christ von den Nationalsozialisten seines Amtes enthoben, gedemütigt, er und seine Familie verlieren den Boden unter den Füßen. In dieser dunkelsten Zeit seines Lebens trifft ihn in einem Gottesdienst das Wort Gottes ins Herz, wie er selber sagt (S. 94). War er als Verzweifelter in den Gottesdienst gekommen, verlässt er die Kirche mit neuer Hoffnung, mit einer Perspektive. Hatte er sein Leben bisher ohne Gott gut gemeistert und war ihm Sokrates näher als Christus, erlebt er jetzt die persönliche Begegnung mit Gott (S. 94), liest er von nun an täglich in der Bibel und betet.

Im letzten Moment kann Simonson vor den Nationalsozialisten nach England fliehen, jedoch ohne Frau und Sohn. Sein Neuanfang ist schwer und reich an Enttäuschungen. Aber Simonson vertraut Gott, stellt sich und seine Fähigkeiten in den Dienst der Kirche. Er erfährt die Hilfe von anderen Christen im täglichen Lebenskampf und wird schließlich, nach manchen Hürden, Pfarrer der Anglikanischen Kirche. Nach sieben Jahren der Trennung und der Ungewissheit kann Werner Simonson ab 1946 mit seiner Frau und seinem Sohn in England wieder ein gemeinsames Leben führen.

Steht das Wort Jesu „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ zunächst für die Hoffnung und die Zuversicht, dass Jesus der Weg für ihn, Werner Simonson, ist, wird es im Lauf der Jahre mehr und mehr zu Simonsons öffentlichem Bekenntnis und Zeugnis: Ja, ER ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Gerade auch in schwersten Zeiten.

Simonson ist mit seiner Autobiografie besonderes gelungen: Sein gelebtes Glaubensbekenntnis kommt nicht frömmelnd und zurückblickend verherrlichend daher. Anfechtung und Sorgen bagatellisiert er nicht, sondern benennt sie. Nie kommt er moralisch belehrend daher, dies macht Simonson glaubhaft, seine Autobiografie so wichtig und wertvoll. Er gibt eine Antwort auf die Frage: Was zählt, worauf gründe ich mein Leben, wenn materielle Sicherheiten kein tragendes Fundament mehr sind? Diese Frage ist heute so aktuell wie damals und wird immer aktuell sein.

Zudem beschreibt und reflektiert der Autor die Zeitgeschichte in vielfältigen Facetten und pflegt eine sehr differenzierte und auch selbstkritische Sicht der Dinge. Sein bescheidener Charakter, sein Vertrauen auf Gott und seine Liebe zu den Menschen haben ihn schließlich auch vor Verbitterung bewahrt.

Die Lektüre ist ein Gewinn für jeden Leser!