Motorrad-Anlass-Gottesdienst | aus Landau | 7-2006


Motorrad-Anlass-Gottesdienste haben in Landau/Pfalz schon Tradition. Motorradfahrerinnen und -fahrer werden zu einem Freiluftgottesdienst eingeladen und begegnen dem Evangelium von Jesus Christus. Im Folgenden informiert Pfarrer Jürgen Wienecke von der örtlichen Katharinengemeinde der SELK über Geschichte und Ziele dieses speziellen Angebotes seiner Gemeinde und berichtet auch über Erfahrungen damit.


Gottesdienste (nicht nur) für Motorradfahrer/innen

Es hat sich inzwischen herumgesprochen: Immer am ersten Sonntag im Mai um 11 Uhr gibt es in Landau den „Anlass-Gottesdienst“ zum Start in die neue Motorrad-Saison. Treffpunkt ist ein kleiner Platz am Rande der Altstadt in der Nähe der Katharinenkapelle, in der wir unsere Gottesdienste feiern. Bei schlechtem Wetter könnten wir ohne Probleme in die Kapelle ausweichen. Aber bisher ist das ist in den 11 Jahren kaum nötig gewesen.

Etwa eineinhalb Stunden vor dem Gottesdienst treffen sich einige Gemeindeglieder, unterstützt von den ersten „Bikern“, um den Platz herzurichten: Biertisch-Bänke, Stühle, Lesepult, Campingtisch für den Altar, Lautsprecheranlage, Verlängerungskabel für die Stromversorgung werden aus der Kirche geholt, Sonnenschirme von umliegenden Restaurants ausgeliehen, (als Dankeschön machen wir in den Abkündigungen auch ein wenig Werbung für sie), kleine Klappschilder mit Hinweis auf den Gottesdienst werden in der nahe liegenden Fußgängerzone aufgestellt, die Vorbereitungen für den Kirchenkaffee in der Kirche werden getroffen (Tapeziertisch aufstellen, Getränke vorbereiten, Becher, Kekse etc.), irgendjemand verteilt die Gottesdienst-Programme an die eintreffenden Gottesdienstteilnehmer, letzte Absprachen mit den Musikern (z.B. Keyboarder; Posaunenchor, der auch mal „swingen“ und „rocken“ darf), der Hinweis auf die Toilette etc.

Kurz nach 10 Uhr fahren wir Biker dann raus auf die A 65 zum Rastplatz „Pfälzer Weinstraße West“, wo hoffentlich schon eine Menge Motorradfahrer/innen auf uns warten. Normalerweise sollte dort auch ein Polizeikrad sein, das uns begleitet und die Kreuzungen absperrt. Aber meistens hat das nicht geklappt, da der Polizist durch andere Einsätze aufgehalten wurde. Also haben wir – nach vorheriger Absprache mit der Polizei – unsere eigenen „Road Manager“, die jeweils zu zweit Kreuzungen und Ampelanlagen frei halten. Sonst würde die Anfahrt viel zu lange dauern.

Es ist schon ein besonderes Erlebnis, wenn dann zwischen vierzig bis über hundert Maschinen durch die Straßen und Gassen donnern und schließlich am Rande des Motorradgottesdienst_2Gottesdienst-Platzes parken. Manche bleiben während des Gottesdienstes dort am Rande bei ihren geliebten Bikes. Die meisten aber kommen näher an das gottesdienstliche Geschehen heran, seit wir die Schatten spendenden Kneipenschirme haben. Dann klappt das mit dem Mitsingen auch besser. Wir nehmen möglichst bekannte Lieder, vor allem aus dem Jugendliederbuch. Manchmal üben wir auch mal ein Lied ein, damit möglichst alle mitsingen können. Denn wir gehen davon aus, dass die meisten Biker/innen Kirchen nicht oft von innen sehen.

Wie so ein Gottesdienst aussieht, ist dokumentiert auf unserer Homepage www.selk-landau.de.


Zur Geschichte der „Moto-Godis“
„Ich hatte so etwas schon länger vor, wagte mich aber immer nicht so recht dran“, erinnert sich Pfarrer Gerhard Triebe, damals Pfarrer in Landau und begeisterter Motorradfahrer: „Dann kam 1993 Gerhard Weber (Pfarrer beim ‚Missionarisch-Ökumenischen Dienst’ [MÖD] der Ev. Kirche der Pfalz) auf mich zu mit der Idee, Moto-Godis auf Johanniskreuz (einem Treffpunkt für Motorradfahrer/innen mitten im Pfälzer Wald bei Kaiserslautern) anzubieten. Da gäbe es bereits .... während der Sommermonate ‚Gottesdienste im Grünen’; da könnte man dann doch noch einen am 1. Sonntag im September ‚anhängen’ und den für Motorradfahrer gestalten. Ich habe gerne da mitgemacht – und gesehen, dass da auch nur ‚mit Wasser gekocht’ wird. Dadurch habe ich Mut gefasst, es auch einmal zu versuchen - in Absprache mit den Kollegen der Landeskirche als Saison-Eröffnungs-Gottesdienst, während der auf Johanniskreuz dann der Abschlussgottesdienst sein sollte. Jede Kirche verantwortete ihren Gottesdienst, wobei ich auch klar sagte, dass ich aufgrund der ‚Ökumenischen Handreichung’ sie nicht bei uns predigen lassen könnte wie sie mich umgekehrt bei sich. Aber ‚unterhalb’ der ‚Kanzelebene’ haben wir immer zusammengearbeitet als Team und sind auch gemeinsam ‚aufgetreten’. Der erste Gottesdienst fand dann am 30. April 1995 in der Katharinenkapelle statt. Thema: ‚Heute schon getankt?’ Im Jahr darauf war das Thema ‚Total abgefahren’ - wieder in der Katharinenkapelle. 1997 waren wir dann erstmals richtig ‚draußen’ - auf dem Landauer Meßplatz (Thema: ‚Springt der Funke über?’). Damals stand da noch ein (hölzerne) Messehalle mit so einer Art Laderampe davor, die uns als ‚Bühne’ diente. Darauf hatten wir eine Boxer-BMW gestellt, deren Kerzenstecker wir für ein kurzes Anspiel zur Predigt ‚präpariert’ hatten, so dass es beim Startversuch zwar einen Zündfunken gab, aber die Karre trotzdem (zunächst) nicht ansprang. (Aus der Kradfahrer-Gemeinde gab's dabei einen schönen Kommentar, den ich leider nicht mehr richtig zusammenkriege - ungefähr so: ‚Kein Wunder, dass sie nicht anspringt - wie soll sich ein bayrisches Motorrad mit einem Berliner [da komme ich her] verstehen?’

Zu diesem Termin gab es die erste gemeinsame Anfahrt vom Rasthof ‚Pfälzer Weinstraße’, begleitet von Polizei-Krädern (kam zustande über einen Polizisten aus Landau, der seitdem auch immer mit im Gottesdienst-Team war).

Als 1998 der Meßplatz wegen Umbau gesperrt war, wichen wir auf den Rathausplatz (!!) aus. Es regnete allerdings so kräftig, dass der Gottesdienst doch in der Katharinenkapelle stattfand (‚Hinterherfahren zwecklos - habe mich selbst verirrt’). Einige Hartgesottene waren über Johanniskreuz angereist - im Schnee!! (am 19.4. ...)

Seit 1999 fanden die Gottesdienste dann immer erst Anfang Mai und auf dem Martha-Saalfeld-Platz statt; die Stadt wollte ihre „gute Stube“ Rathausplatz nicht so gerne dafür hergeben, scheute auch Konflikte mit den ohnehin durch viele Veranstaltungen belasteten Anwohnern. So war das für uns eine gute Alternative, bei der wir die Verbindung zur Katharinenkapelle hatten (als Identifikations-Punkt mit unserer Gemeinde und als ‚Rückzugsraum’ bei Regen) - und keine schwierige Anfahrt durch die Fußgängerzone! Thema 1999: ‚Hoppla, jetzt komm ich!’ 2000: ‚Stumpft der Mensch vom Gaffen ab?’ 2001: „Gott, gib Gas, ich will Spaß!“ - vor diesem Gottesdienst hatte sich eine Frau E. aus Bruchweiler bei mir gemeldet, deren 32jähriger Sohn am 2.4. bei Roschbach mit dem Krad tödlich verunglückt war; ich war damals bei ihr, und wir haben dann im Gottesdienst an ihren Sohn gedacht und Fürbitte getan.

2002: „Neues Spiel, neues Glück“ - bei der Kollektenankündigung habe ich mich von der Kradfahrer-Gemeinde verabschiedet und die Kollekte ausnahmsweise mal für die eigenen Gemeinde erbeten (da durch den Pfarrwechsel außergewöhnliche Kosten auf sie zukommen würden...). Sonst habe ich bei den Kollekten immer gesehen, dass wir zum einen etwas Gutes für andere tun konnten, zum anderen einen weiteren Aspekt für unsere Öffentlichkeitsarbeit hatten.
Zielsetzung war immer: ‚Unsere Gemeinde und Kirche soll in unserer Region bekannter werden; den Gottesdienstbesuchern sollen >Brücken zum Glauben< gebaut werden.’ "

So weit aus den Erinnerungen von Pfr. Gerhard Triebe.

„Never change a winning team“, sagt man. Und so habe ich, Jürgen Wienecke , seit November 2003 Pfarrer im Pfarrbezirk Landau-Crailsheim, die bewährte Zusammenarbeit weitergeführt mit der Projektgruppe „Gottesdienst für Motorradfahrer/innen“, innerhalb der Evangelischen Kirche der Pfalz. Wir helfen uns gegenseitig bei der Vorbereitung und Durchführung der „Moto-Godi“.

2004 leitete ich meinen ersten Gottesdienst mit dem Thema „Born to be free“, 2005 folgte „Nur Fliegen ist schöner“, und 2006 „Mit der Kraft der zwei Herzen“. Texte und Ablauf dieses Gottesdienstes und was in der Vorbereitung zu bedenken ist, sind ebenfalls zu finden auf unserer Homepage.

Motorradgottesdienst_1Wie Pfarrer Triebe zuvor bin ich gebeten, beim jährlich stattfindenden „Hambacher Bikerfest“ einen kleinen Gottesdienst für Motorradfahrer/innen auf dem Hambacher Schloss bei Neustadt/Weinstraße zu leiten.

Wer mehr über das Thema „Motorradgottesdienste“ wissen will: Gerhard Triebe und/oder ich geben gerne unsere Erfahrungen weiter.

Ziele:

„Unsere Gemeinde und Kirche soll in unserer Region bekannter werden; den Gottesdienstbesuchern sollen „Brücken zum Glauben“ gebaut werden.“ (Gerhard Triebe)

 

Ergebnisse:

  • Ein Gottesdienst für Motorradfahrer/innen erreicht nachweislich Menschen, die normalerweise mit „Kirche“ und „Glauben“ nicht viel „am Hut“ (bzw. Helm) haben.

  • (Es lohnt sich also, diese Gottesdienste besonders sorgfältig vorzubereiten, auf diese Zielgruppe zuzuschneiden und Kontakte in dieser „Szene“ zu pflegen.)

  • Gemeinde und Kirche wird vor allem über die Person des „Motorradpfarrers“ einer weiteren Öffentlichkeit bekannt. Daraus haben sich mehrfach (seelsorgliche) Kontakte und Beziehungen ergeben.

  • Ohne die Motorradgottesdienste würde die Gemeinde und ihr Gottesdienst-Ort in Stadt und Region weit weniger wahrgenommen.

  • Innerhalb der “Ökumene” findet diese Arbeit positive Beachtung

  • Ich werde immer wieder mal nicht nur von Bikern, die an einem Moto -Godi teilgenommen oder auch nur davon gehört haben auf diese besonderen Gottesdienste angesprochen: Da ist Kirche positiv bei überwiegend Kirchendistanzierten im Gespräch!

  • Moto-Godi sind “events” mit Langzeitwirkung: Themen und ausführende Personen sind auch nach Jahren noch im Gedächtnis: immer noch erinnert man sich an Gottesdienste aus der Ära Triebe und fragt nach seinem Ergehen!


Nacharbeit:

  • Jeder Gottesdienst wird in der Projektgruppe „Motorradgottesdienste“ kritisch reflektiert

  • es trifft sich ein regelmäßiger Stammtisch für Motorradfahrer/innen in der christlichen, alkoholfreien Kneipe „KREUZ&QUER“ in Landau. Die Teilnehmerzahl schwankt zwischen 4 und 12 Personen.

  • Angebote für gemeinsame Ausfahrten in die Umgebung. (Leider ist es für einen Pfarrer schwierig, daran teilzunehmen, denn meistens sind die Leute am Sonntag unterwegs! Es ist mir noch nicht gelungen, so eine Ausfahrt mit der Teilnahme an einem Gottesdienst zu kombinieren.)


Planungen:

  • interessierte Motorradfahrer/innen in die Vorbereitung des nächsten Moto-Godi in Landau integrierendie Werbung bei Motorradclubs in der Umgebung verbessernauch in Crailsheim einen regelmäßigen Moto-Godi installieren. (Die Planungen in Zusammenarbeit mit dem Inhaber der örtlichen, mittelständischen Brauerei laufen vielversprechend)Vielleicht mal eine Freizeit für Motorradfahrer/innen. Aber dazu suche ich noch ein Vorbereitungsteam.

 

Weitere Informationen zum Moto-Godi 2006 im pdf-Format:
Plakat

Handzettel
Pressetext
Checkliste
Gottesdienst-Entwurf mit Texten
Gottesdienst-Programm
Antrag auf Sondernutzung
Sondernutzungserlaubnis
Anschreiben an die Anwohner