Schnupperkurs Bibel | aus Heldrungen | 3-2006


Glieder der evangelischen Gemeinde in Heldrungen hatten geäußert, sie trauten sich nicht, in den gemeinsamen Bibelkreis der evangelischen Kirche und der Gemeinde der SELK zu kommen, da ihnen die erforderlichen Bibelkenntnisse fehlen würden. Dies war der Anstoß, einen „Schnupperkurs Bibel“ anzubieten – und zwar als öffentliches Angebot, das dann auch über die Gemeindegrenzen hinaus angenommen wurde. Pfarrer Michael Pietrusky aus dem SELK-Pfarrbezirk Sangerhausen-Heldrungen stellt im Folgenden das Projekt vor, das nach seiner Einschätzung „nicht Teil eines Gemeindeaufbauprogramms“ war, das aber gleichwohl als Impuls zu einer ersten Begegnung mit der Bibel auch andernorts fruchtbar gemacht werden könnte.


Der erste Gedanke
Bei einem adventlichen Beisammensein, zu dem die Kirchenvorstände der evangelischen Gemeinde und der SELK-Gemeinde eingeladen waren und bei dem überlegt wurde, welches Interesse überhaupt an einem Bibelgesprächskreis besteht und wie die Bibel „unter die Leute gebracht“ werden könnte, wurde der Gedanke „Schnupperkurs Bibel“ geboren, der mir einleuchtete und zu dem ich die Initiative ergriff: zwei Abende und eine Exkursion nach Eisleben, zeitlich befristet und unverbindlich.

Das Ziel
Es ging mir zunächst nur darum, ein ganz schlichtes Angebot zu machen, um Hemmschwellen zu überwinden, die Bibel, dieses „Buch mit sieben Siegeln“, in die Hand zu nehmen und aufzuschlagen: Dass die Bibel zwei Teile hat, Altes und Neues Testament. Dass es sich um 66 verschiedene Bücher handelt. Dass jedes Buch in Kapitel und in Verse eingeteilt ist. Für Christinnen und Christen, die immer mit der Bibel zu tun haben, versteht sich dies alles von selbst – für am Rande Stehende kann es ein Hinderungsgrund sein, in einen Bibelkreis zu gehen. Wenn es heißt „Schlagen Sie doch bitte auf“ und ich nicht weiß, wo ich etwas finden soll und wenn ich womöglich noch lesen soll ... Also, es ging um einen ersten Einstieg in die Bibel, das Buch der Bücher, um eine erste Orientierung, im Grunde nur um drei Fragen: Wie finde ich mich in der Bibel zurecht? Wann ist sie entstanden? Was ist ihr Hauptinhalt?

Die Werbung
Die Werbung erfolgte mit Handzetteln, kopierten Aushängen im Format DIN A 4 in Heldrungen und einigen Nachbarorten, mit Bekanntgabe in den beiden Kirchengemeinden sowie mit einer kurzen Notiz in der „Thüringer Allgemeinen“ und einem Artikel im „Allgemeinen Anzeiger“ (AA), einem kostenlosen Verteilblatt in Teilen der Landkreise Sömmerda und Kyffhäuserkreis. Auf meine Mail hin meldete sich umgehend die zuständige Redakteurin des AA, da sie gerade ein Titelthema für die nächste Ausgabe suchte und meinte, ja das Thema Bibel sei interessant. Mit Schlagzeile, großem Foto (Pfarrer und Bibel in der Kirche) und Text auf der Titelseite sorgte sie für die beste Werbung – was für ein Geschenk!

Text meiner Mail an die Zeitungen:

Schnupperkurs Bibel in Heldrungen
Wann ist die Bibel entstanden? Was ist ihr Hauptinhalt? Wie findet man sich in ihr zurecht? Das sind nur einige der Fragen, über die auf einem Einführungskurs in die Bibel in Heldrungen informiert wird. Das Kurz-Seminar findet am Dienstag, 24. und 31. Januar, jeweils 19.30 Uhr bis 21 Uhr, im Martin-Luther-Raum, Hauptstr. 57, statt und ist kostenlos. Von den Teilnehmern werden keine Vorkenntnisse erwartet. Zum Abschluss ist eine Exkursion in die Lutherstadt Eisleben mit Besichtigung einer Ausstellung zu Bibeldrucken geplant (Termin nach Vereinbarung, hier Kostenbeteiligung). Veranstalter des Bibel-Schnupperkurses sind die Evangelische Kirchengemeinde und die Ev.-Luth. Golgathagemeinde der SELK in Heldrungen . Weitere Informationen gibt es bei Pfarrer Pietrusky, Tel. 03464 - 573552, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Reaktionen
Ein Anrufer gleich am nächsten Morgen nach Erscheinen des „AA“ wollte wissen, ob man eine Bibel mitbringen müsse und ob der Raum, in dem die Veranstaltung stattfindet, geheizt sei. Am ersten Abend kamen elf Teilnehmende, von ihnen vier aus der evangelischen Kirchengemeinde, die z.T . das Thema mit angeregt hatten, die regelmäßigen SELK-Bibelkreis-Teilnehmer blieben fern. Dafür aber kamen sieben Teilnehmende, überwiegend aus Orten der Umgebung von Heldrungen und vermutlich kirchenfern. Am zweiten Abend kamen die Teilnehmenden vom ersten Abend wieder und vier weitere hinzu, vor allem aus Heldrungen selbst. In der Woche zwischen den beiden Abenden gab es einen weiteren Anruf mit vielen Fragen und Anfragen zu Bibel und Kirche. Auffällig war für mich, dass die überwiegend kirchenfernen Teilnehmenden nicht aus Heldrungen kamen, sondern aus andern Orten der Umgebung, bis zu 20 Kilometer entfernt. Ist es gerade für diese Personengruppe schwer, im eigenen Ort zur Kirche zu gehen (und dabei gesehen zu werden) – nachdem sie 20 oder 30 Jahre lang Distanz zur Kirche gehalten hatten bzw. halten mussten? In der Großstadt wird es diese Scheu vermutlich kaum geben. – Namen und Anschriften der Teilnehmenden wurden nicht erfasst.

Durchführung
Die beiden Kursabende fanden an zwei aufeinanderfolgenden Dienstagen im Januar statt. Ort war der Gemeinderaum der evangelischen Kirchengemeinde, in der Hauptstraße in der Stadtmitte gelegen und gut zu finden. Ein kleiner Raum war rundum mit elf bzw. 15 Teilnehmenden gut gefüllt. Auf Tischen in der Mitte lagen verschiedene Bibelausgaben, die zur Hand genommen werden konnten. Mein Vortrag, unterbrochen durch Fragen der Teilnehmenden, dauerte an den beiden Abenden jeweils knapp 90 Minuten. Nach Begrüßung und Erläuterung, wie es zu diesem Kurs gekommen ist, sowie Ankündigung, was die Teilnehmenden zu erwarten haben, referierte ich mit Hilfe von Overhead-Folien am ersten Abend zu folgenden Stichworten:

Warum beschäftigen wir uns überhaupt mit der Bibel?

Woher kommt das Wort „Bibel“?

Das Schreibmaterial

Wie finde ich mich in der Bibel zurecht?

Anhand der Inhaltsverzeichnisse in der Luther-Bibel Überblick über Altes und Neues Testament: 39 und 27 Schriften – eine kleine Bibliothek.

Problem Seitenzählung, drei von vier Vierteln sind Altes Testament, erst im letzten Viertel das Neue Testament.

Kapitel und Verse – mit Textbeispielen zum Üben: Psalm 23, Geburt Jesu Matthäus 1 und Weihnachtsgeschichte Lukas 2.

Wann ist die Bibel entstanden?

Zeitraum von 1100 Jahren, die Wurzeln liegen im jüdischen Volk, die Sprachen der Bibel hebräisch und griechisch, Zuverlässigkeit der Überlieferung.

Mit Jesu Geburt beginnt das Neue Testament, der zweite Teil.

Festlegung der kanonischen Schriften: Welche Schriften haben Autorität, welche nicht? Ohne dass die Schriften im Gottesdienst gelesen wurden, hätten wir sie nicht.

Was ist der Hauptinhalt der Bibel?

Anhand von 1. Mose 12,1-3 ging es darum: Gott redet, Gott wählt sich einen Menschen aus und beginnt mit ihm seine Geschichte, eine Liebesgeschichte, die Bedeutung für die ganze Menschheit erhält. Wort Gottes, Gegenüber Gott – Mensch.

Mit „Hausaufgaben“ (kopierte Blätter KV 4, KV 5, KV 7, KV 8, KV 15 aus der Vorbereitungshilfe Bibel „Leben mit Christus“, Verlag der Lutherischen Buchhandlung Heinrich Harms, sowie mit kopiertem Inhaltsverzeichnis von Altem und Neuem Testament und Kopien der Seiten „Wo finde ich was?“ aus der Luther-Bibel) wurden die Teilnehmenden am ersten Abend entlassen – und tatsächlich, ein Teilnehmer hatte zum zweiten Abend die Blätter KV 4 und KV 7 bearbeitet und zusätzlich die Seitenzahlen seiner beiden Bibelausgaben eingetragen.

Am zweiten Abend wurde der Hauptinhalt der Bibel anhand einiger Bibeltexte vorgestellt, die mit Folien projiziert für alle zu lesen waren und in Auszügen von mir oder auch anhand einer herumgereichten Kopie von Teilnehmenden, die sich trauten, gelesen wurden. Einige schlugen auch eine Bibel auf; es wurde aber nicht von jedem erwartet. Vorgestellt wurden einige Grundtexte der Bibel, die bekannt sein könnten, um bei möglichen Kenntnissen anzuknüpfen und zu zeigen: Ja, dort findet man sie in der Bibel: die Zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis Israels, das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe, der priesterliche Segen, Nathans Strafrede und Vergebung für David, Psalm 51 (also Sünde und Gnade schon im Alten Testament), das Leiden Jeremias an seinem Auftrag, Israel im Exil und die Auseinandersetzung mit andern Göttern, Loben in den Psalmen in Psalm 104 und das Menschenbild in Psalm 8, Hiobs Klage, ein Abschnitt aus dem Hohenlied Salomos, die Seligpreisungen, das Gleichnis von der selbstwachsenden Saat, die „Bibel im Kleinen“ Johannes 3,16, das Hohelied der Liebe 1. Korinther 13, und Offenbarung 21 als Ausdruck unserer Hoffnung.

Mit den verschiedenen Bibeltexten wollte ich die literarische Vielfalt zeigen, aber auch etwas vom Inhalt der Bibel vermitteln: vom Reden Gottes, von Erwählung und Liebe Gottes, von Vergebung, von Lob und Klage, ja Anklagen Gottes, und von christlicher Hoffnung. Auch wurden verschiedene Bibelübersetzungen vorgestellt und zum Teil miteinander verglichen und an einer Stelle die Prägnanz der Lutherübersetzung herausgestellt.

Fragen nach der Zuverlässigkeit der Überlieferung schlossen sich an sowie kurze Empfehlungen, wie jeder für sich zu Hause die Bibel lesen und wo man beginnen könnte, und dass es gut sein könnte, eine neue Übersetzung hinzuzunehmen.

Es gab Teilnehmer, die sich an beiden Abenden nicht zu Wort meldeten. Am Ende der beiden Abende stellten einige noch ihre Fragen dann im kleinen Kreis. Eine Deutschlehrerin fragte nach der Jakobsleiter in der Bibel, wo das zu finden wäre (Goethe, Faust). Die Bibel war in ihrer Ausbildung kein Thema gewesen.

Am Schluss des zweiten Abends wurde der Termin für die Exkursion nach Eisleben festgelegt (ein Samstagvormittag im Februar): Besichtigt wurde die St. Andreaskirche, in der Martin Luther seine letzten vier Predigten gehalten hatte, und eine Ausstellung im Sterbehaus des Reformators zur Bedeutung der Bibelübersetzung Luthers und zu Übersetzungen ins Deutsche vor Luther sowie zu Bibeldrucken. Es erschienen vier Teilnehmende, weitere, so stellte sich später heraus, konnten wegen Erkrankung eines Fahrers nicht kommen.

Fazit
Sich mit der Bibel näher befassen, könnte für manchen interessant sein, vor allem, wenn es um eine erste unverbindliche Einführung geht. Ich möchte einen solchen Kurs in ähnlicher Weise an einem andern Ort anbieten und bin auf die Reaktionen gespannt. Es könnte sein, dass gerade in den neuen Bundesländern ein Nachholbedarf an Bibelkenntnis besteht. Gleich, ob in Verbindung mit der Volkshochschule oder als Veranstaltung einer oder mehrerer Gemeinden in einem kirchlichen Gebäude, wichtig dürfte die Werbung sein. Die beste Werbung wird der persönliche Kontakt sein. Die seriöse Tageszeitung wird von verhältnismäßig weniger Leuten abonniert. Über kostenlose Verteilblätter werden Menschen erreicht, an die wir nicht denken. Mit der Werbung des „AA“ hatten wir großes Glück.

Wenn wieder ein solcher Kurs zustande kommen sollte, überlege ich, einen Schritt weiterzugehen. Ich würde am Kursende versuchen, die Interessen der Teilnehmenden zu erfragen, um, wenn gewünscht, einen Fortsetzungskurs in Bibellektüre anzubieten – dann nach Möglichkeit in einem Kreis von Neueinsteigenden.