Glieder
der evangelischen Gemeinde in Heldrungen hatten geäußert, sie trauten
sich nicht, in den gemeinsamen Bibelkreis der evangelischen Kirche und
der Gemeinde der SELK zu kommen, da ihnen die erforderlichen
Bibelkenntnisse fehlen würden. Dies war der Anstoß, einen
Schnupperkurs Bibel anzubieten und zwar als öffentliches Angebot,
das dann auch über die Gemeindegrenzen hinaus angenommen wurde. Pfarrer
Michael Pietrusky aus dem SELK-Pfarrbezirk Sangerhausen-Heldrungen
stellt im Folgenden das Projekt vor, das nach seiner Einschätzung
nicht Teil eines Gemeindeaufbauprogramms war, das aber gleichwohl als
Impuls zu einer ersten Begegnung mit der Bibel auch andernorts fruchtbar gemacht werden könnte.
Der erste Gedanke
Bei
einem adventlichen Beisammensein, zu dem die Kirchenvorstände der
evangelischen Gemeinde und der SELK-Gemeinde eingeladen waren und bei
dem überlegt wurde, welches Interesse überhaupt an einem
Bibelgesprächskreis besteht und wie die Bibel unter die Leute
gebracht werden könnte, wurde der Gedanke Schnupperkurs Bibel
geboren, der mir einleuchtete und zu dem ich die Initiative ergriff:
zwei Abende und eine Exkursion nach Eisleben, zeitlich befristet und
unverbindlich.
Das Ziel
Es
ging mir zunächst nur darum, ein ganz schlichtes Angebot zu machen, um
Hemmschwellen zu überwinden, die Bibel, dieses Buch mit sieben
Siegeln, in die Hand zu nehmen und aufzuschlagen: Dass die Bibel zwei
Teile hat, Altes und Neues Testament. Dass es sich um 66 verschiedene
Bücher handelt. Dass jedes Buch in Kapitel und in Verse eingeteilt ist.
Für Christinnen und Christen, die immer mit der Bibel zu tun haben,
versteht sich dies alles von selbst für am Rande Stehende kann es ein
Hinderungsgrund sein, in einen Bibelkreis zu gehen. Wenn es heißt
Schlagen Sie doch bitte auf und ich nicht weiß, wo ich etwas finden
soll und wenn ich womöglich noch lesen soll ... Also, es ging um einen
ersten Einstieg in die Bibel, das Buch der Bücher, um eine erste
Orientierung, im Grunde nur um drei Fragen: Wie finde ich mich in der
Bibel zurecht? Wann ist sie entstanden? Was ist ihr Hauptinhalt?
Die Werbung
Die
Werbung erfolgte mit Handzetteln, kopierten Aushängen im Format DIN A 4
in Heldrungen und einigen Nachbarorten, mit Bekanntgabe in den beiden
Kirchengemeinden sowie mit einer kurzen Notiz in der Thüringer
Allgemeinen und einem Artikel im Allgemeinen Anzeiger (AA), einem
kostenlosen Verteilblatt in Teilen der Landkreise Sömmerda und
Kyffhäuserkreis. Auf meine Mail hin meldete sich umgehend die
zuständige Redakteurin des AA, da sie gerade ein Titelthema für die
nächste Ausgabe suchte und meinte, ja das Thema Bibel sei interessant.
Mit Schlagzeile, großem Foto (Pfarrer und Bibel in der Kirche) und Text
auf der Titelseite sorgte sie für die beste Werbung was für ein
Geschenk!
Text meiner Mail an die Zeitungen:
Schnupperkurs Bibel in Heldrungen
Wann ist die Bibel entstanden? Was ist ihr Hauptinhalt? Wie findet man
sich in ihr zurecht? Das sind nur einige der Fragen, über die auf einem
Einführungskurs in die Bibel in Heldrungen informiert wird. Das
Kurz-Seminar findet am Dienstag, 24. und 31. Januar, jeweils 19.30 Uhr
bis 21 Uhr, im Martin-Luther-Raum, Hauptstr. 57, statt und ist
kostenlos. Von den Teilnehmern werden keine Vorkenntnisse erwartet. Zum
Abschluss ist eine Exkursion in die Lutherstadt Eisleben mit
Besichtigung einer Ausstellung zu Bibeldrucken geplant (Termin nach
Vereinbarung, hier Kostenbeteiligung). Veranstalter des
Bibel-Schnupperkurses sind die Evangelische Kirchengemeinde und die
Ev.-Luth. Golgathagemeinde der SELK in Heldrungen . Weitere
Informationen gibt es bei Pfarrer Pietrusky, Tel. 03464 - 573552, eine
Anmeldung ist nicht erforderlich.
Reaktionen
Ein
Anrufer gleich am nächsten Morgen nach Erscheinen des AA wollte
wissen, ob man eine Bibel mitbringen müsse und ob der Raum, in dem die
Veranstaltung stattfindet, geheizt sei. Am ersten Abend kamen elf
Teilnehmende, von ihnen vier aus der evangelischen Kirchengemeinde, die
z.T . das Thema mit angeregt hatten, die regelmäßigen
SELK-Bibelkreis-Teilnehmer blieben fern. Dafür aber kamen sieben
Teilnehmende, überwiegend aus Orten der Umgebung von Heldrungen und
vermutlich kirchenfern. Am zweiten Abend kamen die Teilnehmenden vom
ersten Abend wieder und vier weitere hinzu, vor allem aus Heldrungen
selbst. In der Woche zwischen den beiden Abenden gab es einen weiteren
Anruf mit vielen Fragen und Anfragen zu Bibel und Kirche. Auffällig war
für mich, dass die überwiegend kirchenfernen Teilnehmenden nicht aus
Heldrungen kamen, sondern aus andern Orten der Umgebung, bis zu 20
Kilometer entfernt. Ist es gerade für diese Personengruppe schwer, im
eigenen Ort zur Kirche zu gehen (und dabei gesehen zu werden) nachdem
sie 20 oder 30 Jahre lang Distanz zur Kirche gehalten hatten bzw.
halten mussten? In der Großstadt wird es diese Scheu vermutlich kaum
geben. Namen und Anschriften der Teilnehmenden wurden nicht erfasst.
Durchführung
Die
beiden Kursabende fanden an zwei aufeinanderfolgenden Dienstagen im
Januar statt. Ort war der Gemeinderaum der evangelischen
Kirchengemeinde, in der Hauptstraße in der Stadtmitte gelegen und gut
zu finden. Ein kleiner Raum war rundum mit elf bzw. 15 Teilnehmenden
gut gefüllt. Auf Tischen in der Mitte lagen verschiedene Bibelausgaben,
die zur Hand genommen werden konnten. Mein Vortrag, unterbrochen durch
Fragen der Teilnehmenden, dauerte an den beiden Abenden jeweils knapp
90 Minuten. Nach Begrüßung und Erläuterung, wie es zu diesem Kurs
gekommen ist, sowie Ankündigung, was die Teilnehmenden zu erwarten
haben, referierte ich mit Hilfe von Overhead-Folien am ersten Abend zu
folgenden Stichworten:
Warum beschäftigen wir uns überhaupt mit der Bibel?
Woher kommt das Wort Bibel?
Das Schreibmaterial
Wie finde ich mich in der Bibel zurecht?
Anhand der Inhaltsverzeichnisse in der Luther-Bibel Überblick über Altes und
Neues Testament: 39 und 27 Schriften eine kleine Bibliothek.
Problem Seitenzählung, drei von vier Vierteln sind Altes Testament, erst im
letzten Viertel das Neue Testament.
Kapitel und Verse mit Textbeispielen zum Üben: Psalm 23, Geburt Jesu
Matthäus 1 und Weihnachtsgeschichte Lukas 2.
Wann ist die Bibel entstanden?
Zeitraum von 1100 Jahren, die Wurzeln liegen im jüdischen Volk, die Sprachen
der Bibel hebräisch und griechisch, Zuverlässigkeit der Überlieferung.
Mit Jesu Geburt beginnt das Neue Testament, der zweite Teil.
Festlegung der kanonischen Schriften: Welche Schriften haben Autorität,
welche nicht? Ohne dass die Schriften im Gottesdienst gelesen wurden, hätten wir sie nicht.
Was ist der Hauptinhalt der Bibel?
Anhand
von 1. Mose 12,1-3 ging es darum: Gott redet, Gott wählt sich einen
Menschen aus und beginnt mit ihm seine Geschichte, eine
Liebesgeschichte, die Bedeutung für die ganze Menschheit erhält. Wort
Gottes, Gegenüber Gott Mensch.
Mit
Hausaufgaben (kopierte Blätter KV 4, KV 5, KV 7, KV 8, KV 15 aus der
Vorbereitungshilfe Bibel Leben mit Christus, Verlag der Lutherischen
Buchhandlung Heinrich Harms, sowie mit kopiertem Inhaltsverzeichnis von
Altem und Neuem Testament und Kopien der Seiten Wo finde ich was? aus
der Luther-Bibel) wurden die Teilnehmenden am ersten Abend entlassen
und tatsächlich, ein Teilnehmer hatte zum zweiten Abend die Blätter KV
4 und KV 7 bearbeitet und zusätzlich die Seitenzahlen seiner beiden
Bibelausgaben eingetragen.
Am
zweiten Abend wurde der Hauptinhalt der Bibel anhand einiger Bibeltexte
vorgestellt, die mit Folien projiziert für alle zu lesen waren und in
Auszügen von mir oder auch anhand einer herumgereichten Kopie von
Teilnehmenden, die sich trauten, gelesen wurden. Einige schlugen auch
eine Bibel auf; es wurde aber nicht von jedem erwartet. Vorgestellt
wurden einige Grundtexte der Bibel, die bekannt sein könnten, um bei
möglichen Kenntnissen anzuknüpfen und zu zeigen: Ja, dort findet man
sie in der Bibel: die Zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis Israels, das
Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe, der priesterliche Segen,
Nathans Strafrede und Vergebung für David, Psalm 51 (also Sünde und
Gnade schon im Alten Testament), das Leiden Jeremias an seinem Auftrag,
Israel im Exil und die Auseinandersetzung mit andern Göttern, Loben in
den Psalmen in Psalm 104 und das Menschenbild in Psalm 8, Hiobs Klage,
ein Abschnitt aus dem Hohenlied Salomos, die Seligpreisungen, das
Gleichnis von der selbstwachsenden Saat, die Bibel im Kleinen
Johannes 3,16, das Hohelied der Liebe 1. Korinther 13, und
Offenbarung 21 als Ausdruck unserer Hoffnung.
Mit
den verschiedenen Bibeltexten wollte ich die literarische Vielfalt
zeigen, aber auch etwas vom Inhalt der Bibel vermitteln: vom Reden
Gottes, von Erwählung und Liebe Gottes, von Vergebung, von Lob und
Klage, ja Anklagen Gottes, und von christlicher Hoffnung. Auch wurden
verschiedene Bibelübersetzungen vorgestellt und zum Teil miteinander
verglichen und an einer Stelle die Prägnanz der Lutherübersetzung
herausgestellt.
Fragen
nach der Zuverlässigkeit der Überlieferung schlossen sich an sowie
kurze Empfehlungen, wie jeder für sich zu Hause die Bibel lesen und wo
man beginnen könnte, und dass es gut sein könnte, eine neue Übersetzung
hinzuzunehmen.
Es
gab Teilnehmer, die sich an beiden Abenden nicht zu Wort meldeten. Am
Ende der beiden Abende stellten einige noch ihre Fragen dann im kleinen
Kreis. Eine Deutschlehrerin fragte nach der Jakobsleiter in der Bibel,
wo das zu finden wäre (Goethe, Faust). Die Bibel war in ihrer
Ausbildung kein Thema gewesen.
Am
Schluss des zweiten Abends wurde der Termin für die Exkursion nach
Eisleben festgelegt (ein Samstagvormittag im Februar): Besichtigt wurde
die St. Andreaskirche, in der Martin Luther seine letzten vier
Predigten gehalten hatte, und eine Ausstellung im Sterbehaus des
Reformators zur Bedeutung der Bibelübersetzung Luthers und zu
Übersetzungen ins Deutsche vor Luther sowie zu Bibeldrucken. Es
erschienen vier Teilnehmende, weitere, so stellte sich später heraus,
konnten wegen Erkrankung eines Fahrers nicht kommen.
Fazit
Sich
mit der Bibel näher befassen, könnte für manchen interessant sein, vor
allem, wenn es um eine erste unverbindliche Einführung geht. Ich möchte
einen solchen Kurs in ähnlicher Weise an einem andern Ort anbieten und
bin auf die Reaktionen gespannt. Es könnte sein, dass gerade in den
neuen Bundesländern ein Nachholbedarf an Bibelkenntnis besteht. Gleich,
ob in Verbindung mit der Volkshochschule oder als Veranstaltung einer
oder mehrerer Gemeinden in einem kirchlichen Gebäude, wichtig dürfte
die Werbung sein. Die beste Werbung wird der persönliche Kontakt sein.
Die seriöse Tageszeitung wird von verhältnismäßig weniger Leuten
abonniert. Über kostenlose Verteilblätter werden Menschen erreicht, an
die wir nicht denken. Mit der Werbung des AA hatten wir großes Glück.
Wenn
wieder ein solcher Kurs zustande kommen sollte, überlege ich, einen
Schritt weiterzugehen. Ich würde am Kursende versuchen, die Interessen
der Teilnehmenden zu erfragen, um, wenn gewünscht, einen
Fortsetzungskurs in Bibellektüre anzubieten dann nach Möglichkeit in
einem Kreis von Neueinsteigenden.
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